top of page
AutorenbildPenelope Spencer

Erste Barockvioline Stunden - Teil 3

Wir haben schon viel über den Bogen – die Seele der Violine – gesprochen. Irgendwann aber wird es Zeit, der lebenslangen Beschäftigung aller Musiker – der Intonation – genauere Aufmerksamkeit zu schenken.


Intonation

Man könnte denken, Intonation ist einfach – entweder stimmt es oder nicht! Natürlich stimmt das, aber wir müssen uns daran erinnern, dass wir heutzutage an die gleichstufige Stimmung des Klaviers gewöhnt sind. Die gleichstufige Stimmung (auch gleichstufig temperierte Stimmung) ist die Bezeichnung für ein Stimmungssystem, das eine Oktave in zwölf gleich große Halbtonschritte von 100 Cent unterteilt, wobei allerdings der spezifische Charakter der Tonarten verloren geht.


In der Barockzeit war dieses System jedoch unbekannt; stattdessen gab es mehrere Lösungen, wie man ein Tasteninstrument stimmen soll, um in verschiedenen Situationen den Charakter jeder Tonart zu bewahren. J.S. Bach hat sich intensiv mit der Frage des Stimmens beschäftigt und schließlich seine Lösung im „Wohltemperierten Klavier“ (BWV 846–893) präsentiert. Der Begriff „wohltemperiert“ bezieht sich hier möglicherweise auf die 1681 von Andreas Werckmeister erfundene, von ihm so genannte wohltemperierte Stimmung. Dabei wurde die mitteltönige Wolfsquinte auf Kosten der reinen Terzen entschärft, um das Spielen in allen Tonarten zu ermöglichen.


Dieses Blog geht jedoch nicht über die temperierten Stimmungssysteme der Barockzeit – es gibt viele gute Erklärungen darüber im Internet, zum Beispiel diese Serie von Cappella Academy:



Hier möchte ich ganz pragmatisch unsere Barockvioline-Stunde fortsetzen und euch helfen, einen besseren Ton auf der Violine zu erzeugen!


Die Intonation hat großen Einfluss auf unseren Ton. Vor allem bei der Barockvioline ist es sehr wichtig und macht auch Spaß, rein zu intonieren. Da wir mit

- viel weniger Vibrato spielen (Vibrato ist ja eine Verzierung, mit der wir sparsam, aber sehr effektiv umgehen – dazu mehr in einem anderen Blog)

- Darmsaiten, die viel obertonreicher sind als Metallsaiten, spielen

- möglichst viel Resonanz vom Instrument erzeugen möchten

- mit dem Ensemble möglichst viel Resonanz erzeugen möchten,


lohnt es sich tatsächlich, sich daran zu gewöhnen, auf die Differenztöne zu achten. Wenn ein Intervall rein ist, dann hört man ein leichtes Brummen, einen dritten Ton.


Und hier ist wieder ein großer Unterschied zwischen der Art des Intonierens vieler Musiker heutzutage und den besten Musikern der Barockzeit. Ich finde bei vielen meiner Studierenden – ganz grob – dass sie oft Kreuze zu hoch spielen und Bs zu niedrig. Ich glaube, das kommt aus verschiedenen Gründen:


- Sie sind daran gewöhnt, mit Klavier in gleichstufiger Stimmung zu spielen.

- Sie denken eher melodisch statt harmonisch. Das heißt, die Leittöne müssen nach oben streben, um die Melodie brillanter klingen zu lassen.

- Sie sind daran gewöhnt, mit fast durchgehendem Vibrato zu spielen, was nicht nur die Aufmerksamkeit vom Bogen ablenkt, sondern auch das genaue Beobachten der Intonation fast unmöglich macht.


Was können wir dann tun, um das reine Intonieren nicht nur zur Gewohnheit zu machen, sondern auch Spaß daran zu haben?


Obertonreihe


Zuerst experimentieren wir mit der Obertonreihe auf der Violine. Tatsächlich ist dies eine ganz interessante und lohnende Aufgabe, weil sie nicht nur das theoretische Verständnis mit der Praxis verbindet, sondern wir auch herausfinden, dass man, um die Obertöne überhaupt zum Klingen zu bringen, auch richtig streichen muss.




(Danke an Peter Michielson)


Jetzt experimentieren wir mit Intervallen und fangen damit an, bei jedem Intervall den entsprechenden Differenzton zu erkennen. Man muss tatsächlich üben, um das Gehör daran zu gewöhnen, und dabei hilft es am Anfang zu wissen, wonach man hören soll:


Differenztöne

Leopold Mozart hat in seiner Violinschule „Versuch einer gründlichen Violinschule“ (1756) seinen Schülern folgende wichtige Informationen bereitgestellt:


- Spielen Sie eine kleine Terz, und Sie werden einen zusätzlichen Ton hören, der eine große Terz (oder Dezime) unter dem unteren Ton liegt.

- Spielen Sie eine große Terz, und Sie werden einen zusätzlichen Ton hören, der eine Oktave unter dem unteren Ton liegt.

- Spielen Sie eine reine Quarte, und Sie werden einen zusätzlichen Ton hören, der eine Quinte unter dem unteren Ton liegt.

- Spielen Sie eine kleine Sexte, und Sie werden einen zusätzlichen Ton hören, der eine große Terz (oder Dezime) unter dem unteren Ton liegt.

- Spielen Sie eine große Sexte, und Sie werden einen zusätzlichen Ton hören, der eine Quinte unter dem unteren Ton liegt.


Nach ein paar Wochen, wenn man sich jeden Tag 15 Minuten damit beschäftigt hat, entwickelt sich die Fähigkeit, diese Töne zu hören. Dabei hat man nicht nur Spaß gehabt, sondern auch einen konstanten Freund gewonnen. Dieser dritte Ton ist einfach immer dabei und begleitet uns auf dem Weg zu jeder musikalischen Aufgabe. Er schenkt uns sowohl Selbstvertrauen als auch einen tieferen, viel wärmeren Ton.


Wenn wir ihn auch beim Ensemblespiel wahrnehmen, stell dir vor, wie schön das klingt!


Viel Spaß beim Üben, und bis zum nächsten Mal!

19 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Klang aus der Stille

Gerade hat Anne "Besonderheiten der barocken Spielweise"im Forum gepostet - ein sehr schönes und interessantes Interview mit Maria João...

コメント


bottom of page